Was bedeutetdas genau?

Lerntherapie, was ist das?

Die Lerntherapie kann als Prozess von einer negativen zu einer positiven Lernstruktur betrachtet werden. Kinder mit Lernstörungen haben aufgrund der vielen Misserfolgserlebnisse das Vertrauen in sich verloren, Lesen, Schreiben bzw. Rechnen jemals zu erlernen. Ihr innerer Dialog ist geprägt von Selbstzweifeln, die ihren gesamten Lern- und Entwicklungsprozess beeinflussen. Bei Lernschwierigkeiten entsteht durch Leistungserwartung, Versagen, Misserfolg und Misserfolgserwartung eine Dynamik aus drei sich negativ verstärkenden Kreisläufen bzw. Dialogen. Diese haben Dieter Betz und Helga Breuninger schon 1982 als „Teufelskreis Lernstörungen“ beschrieben.

Mit Hilfe eines Wirkungsgefüges kann in der integrativen Lerntherapie der Ist-Stand bestimmt und die lerntherapeutischen Interventionen abgeleitet, begründet und dokumentiert werden. Ziel ist es, die Negativspirale zu unterbrechen und ein positives Wirkungsgefüge zu initiieren.

Lern- und Beziehungsdialoge beeinflussen den inneren Dialog des Kindes. In der integrativen Lerntherapie ist der Beziehungsdialog durch Ermutigung, Zutrauen und Vertrauen in die Entwicklungsfähigkeit des Kindes bestimmt. Beim Lerndialog geht es um die kindgerechte Aufbereitung, Vermittlung und Verarbeitung der Lerninhalte. Vom individuellen Können ausgehend werden die Lernangebote so gestaltet, dass das Kind von Anfang an Erfolge erzielt, diese sich selbst zuschreibt und sich somit selbstwirksam erlebt. Die Aufgaben werden dementsprechend entwicklungsangemessen, motivierend, attraktiv und respektvoll gestaltet. Fehler werden als Lösungsansätze verstanden und dazu verwendet, die Denkprozesse des Kindes zu verstehen und zu respektieren. Gemeinsam mit dem Kind werden diese Ansätze dazu genutzt, auf richtige Lösungen hinzulenken.

Lerntherapeut*innen verfügen über die Kompetenz, sicherzustellen, dass das Kind weder unter- noch überfordert ist. Sie lenken den Lernprozess so, dass das Kind die Schriftsprache und/oder das Rechnen für sich bedeutsam erlebt, zunehmend versteht und an Zutrauen gewinnt, diese zu erlernen.

 

 

NACH BETZ/BREUNINGER: TEUFELSKREIS LERNSTÖRUNGEN (1982) WEITERENTWICKLUNG DES WIRKUNGSGEFÜGES NACH BREUNINGER (2014)

BRÜCKE 1 – BEZIEHUNG GESTALTEN UND INTERVENIEREN

Der Lernprozess wird durch eine vertrauensvolle und wertschätzende
Beziehung zwischen Lerntherapeut*in und Kind getragen. Stärken und
Ressourcen des Kindes werden verstärkt, um das Kind zu motivieren, sich
für gestellte Aufgaben zu engagieren, Lob anzunehmen und sich Erfolge
selbst zuzuschreiben.

BRÜCKE 2 – EINFÜHLEN UND VERHALTEN DEUTEN

BRÜCKE 3 – LERNPROZESSE GESTALTEN

BRÜCKE 4 – LERNPROZESSE DEUTEN UND LERNSTAND DIAGNOSTIZIEREN

 

UMFELDARBEIT

Die Kooperation von Lerntherapeut*in, Eltern, Lehrkräften und ggf. weiteren Beteiligten ist ein wesentlicher Bestandteil der integrativen Lerntherapie, wobei Lerntherapeut*innen die fachliche Verantwortung tragen. Die Perspektiven der Beteiligten werden erfasst, Verantwortungsbereiche und Ziele vereinbart und aufeinander abgestimmt. Die Zusammenarbeit dient der Transparenz, dem Verständnis der Situation und der Abstimmung der Fördermaßnahmen. Durch die Klärung von Zuständigkeiten und Unterstützungsmöglichkeiten können Schuldzuweisungen aufgedeckt und bearbeitet werden. Eltern und Lehrkräfte werden dadurch entlastet und die Entwicklung der Kinder wird positiv wahrgenommen. Die Lerntherapie übernimmt mitunter eine Brückenfunktion zwischen Elternhaus, Schule und Kind. Als Grundlage der Kommunikation wird das lerntherapeutische Vorgehen fortlaufend dokumentiert und evaluiert. Die Gestaltung und Umsetzung des Nachteilsausgleichs und der Leistungsermittlung/-beschreibung sind wesentliche Aspekte der Umfeldarbeit. Die Leistungsermittlung und -beschreibung ist durch die Erlasse der Bundesländer zum Umgang mit Lese-, Rechtschreib-, bzw. Rechenstörungen, bzw. zur Förderung von Kindern mit besonderen Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechnen geregelt sind.

 

BEDEUTUNG DER LERNTHERAPIE

Bei Kindern mit Lernstörungen reicht das Unterrichts- und Förderangebot der Schule nicht aus. Sie benötigen eine Lerntherapie als adäquate Förderung, damit sie sich entsprechend ihres Leistungsniveaus entwickeln können. Ohne diese bleiben die Auswirkungen bis ins Erwachsenenalter bestehen. Die Level-One-Umfrage (leo) ermittelte, dass 4 Prozent der erwerbsfähigen Bevölkerung in Deutschland als Analphabeten gelten; 14 Prozent (7,5 Mio.) sind sogenannte funktionale Analphabeten. Es ist davon auszugehen, dass ein wesentlicher Teil dieser Menschen von Lernstörungen betroffen ist. Die meisten sprechen Deutsch als Muttersprache und besuchten eine Schule in Deutschland. Ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist massiv beeinträchtigt. Es ist davon auszugehen, dass die Situation von Erwachsenen mit einer Rechenstörung ähnlich ist und die Folgen für die Alltagsbewältigung erheblich sind. Dieser Benachteiligung wirkt eine Lerntherapie entgegen. Sie trägt zur sozialen Integration im Klassenverband bei und befähigt, fehlende Kompetenzen im Lesen, Schreiben und/oder Rechnen aufzuholen. Damit werden Lernprozesse in allen Unterrichtsfächern ermöglicht, die weitere Bildungs- und Berufsbiografie wird positiv beeinflusst, die wiederum soziale und wirtschaftliche Sicherheit gewährleistet. Dennoch kann Lerntherapie bei Kindern nur dann als Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII gewährt werden, „wenn

  1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
  2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.“

 

 

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